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Kultur - 17.01.2019

Im Theater Halle eskaliert ein Streit zwischen Intendanz und Geschäftsführung

Das Theater Halle verliert seit seinem Intendantenwechsel an Publikum. Nun tobt ein Streit um Geld. Auch andere Theater haben sich mit einem offenen Brief eingeschaltet.

Auf zu neuen Ufern! Szene aus Meyerbeers „L’Africaine“ mit Robert Sellier, Daniel Blumenschein und dem Chor der Oper Halle.

Halle an der Saale ist eine stolze Kulturstadt. Der Jahresetat der örtlichen Bühnen, die an vier Standorten Oper und Konzert, Puppen- und Sprechtheater anbieten, beträgt 40 Millionen Euro. Auch wenn ein Drittel der Subventionen vom Land Sachsen-Anhalt beigesteuert wird, ist das eine enorm große Summe für ein Gemeinwesen mit 230 000 Einwohnern. Dafür, so ist der Anspruch an die „Theater, Oper und Orchester GmbH Halle“, soll mit dem Angebot die gesamte Stadtgesellschaft erreicht werden.

Vor gut zwei Jahren bewiesen die Lokalpolitiker Mut, als sie den damals 36-jährigen Regisseur Florian Lutz zum Intendanten beriefen: Denn Lutz, der in Berlin studiert hat, wo er in der Off-Szene auch seine ersten Inszenierungen realisieren konnte, trat mit einem dezidiert innovativen Konzept an. Er wollte die Institution Theater mächtig durchrütteln – und damit attraktiv für die 20 000 Studierenden machen, die es in der Stadt gibt.

50 Prozent der Stammgäste kündigten ihre Abos

Zum Start seiner Amtszeit ließ er den Saal im Opernhaus mit einer Rauminstallation überbauen, mixte dort bei Wagners „Fliegendem Holländer“ Zuschauer und Ausführende wild durcheinander. Um das Musiktheater als eine quicklebendige Kunstform darzustellen, die den Zuschauer emotional förmlich anspringt.

Leider mochten die Hallenser ihrem experimentierfreudigen Intendanten bislang nicht in erhofftem Maße auf seinem Weg folgen. Der Run auf die Tickets durch neugierig gewordene Hochschüler blieb weitgehend aus, dafür kündigten 50 Prozent der Stammgäste ihre Abos. Weil dadurch die Eigeneinnahmen in den Keller gingen, trat Stefan Rosinski auf den Plan, der als Geschäftsführer der Hallenser Kulturholding für die Budgets zuständig ist. Dass er von Florian Lutz verlangte, künftig kostenbewusster zu arbeiten, indem beispielsweise weniger Gastsänger engagiert werden, empfand dieser als Einmischung in seine künstlerischen Angelegenheiten.

Auch Schauspielchef Matthias Brenner geriet anschließend in Clinch mit Stefan Rosinski, der von 2006 bis 2009 Chef der Berliner Opernstiftung war. Anfang der Woche eskalierte der hausinterne Streit nun, als gleich drei Dutzend hochmögende deutsche Intendanten einen offenen Brief an die Mitglieder des politisch besetzten Aufsichtsrates der „Theater, Oper und Orchester GmbH Halle“ verschickten. Unter der aktuellen künstlerischen Leitung, heißt es darin, seien die Bühnen Halle zu einem „Leuchtturm der Mitteldeutschen Kulturlandschaft“ geworden, „von dem zukunftsweisende Impulse für die deutsche Stadt- und Musiktheaterlandschaft ausgehen“. Dieser Kurs jedoch sei akut gefährdet. Weil der Budgetverantwortliche die Oberhoheit über die künstlerische Planung habe.

In München gab es einen ähnlichen Fall

Der auf die Haushaltsdisziplin pochende Geschäftsführer Rosinski ist gemeint, wenn in dem Brief davon die Rede ist, „welch destruktive Energie und welch nachhaltiger Schaden für eine Kulturinstitution entstehen kann, wenn die Machtverhältnisse und Organisationsstruktur im Hause die Kunst aus den Augen verlieren“. Darum müsse der Aufsichtsrat „die künstlerische Arbeit der derzeitigen Intendanten in Halle schützen“.

Offizieller Absender des Briefes sind die Münchner Kammerspiele, wo es in jüngster Zeit eine ähnliche Diskussion um die Frage gab, wie lange eine Stadt durchhalten müsse, wenn ein von ihr eingesetzter Avantgarde-Intendant Teile des Publikums verprellt. In München endete die Diskussion mit dem angekündigten Rückzug des Theaterleiters Matthias Lilienthal. Sowohl er als auch seine designierte Nachfolgerin Barbara Mundel gehören zu den Unterzeichnern des offenen Briefes, ebenso wie Jürgen Flimm, BE-Chef Oliver Reese und der Intendant der Deutschen Oper, Dietmar Schwarz.

Politische Parteien solidieren sich mit dem Aufsichtsrat

In einem außergewöhnlichen Schulterschluss reagierten die Fraktionen der CDU, SPD, FDP sowie der Linken im Hallenser Stadtrat tags darauf mit einer Presseerklärung, in der sie beklagen, dass durch den offenen Brief „in nicht akzeptabler Weise Druck auf den Aufsichtsrat ausgeübt werden“ solle. Zudem wird Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand, der zugleich Vorsitzender des Theater-Aufsichtsrates ist, aufgefordert, seine Teilnahme an einer geplanten Podiumsdiskussion zum Thema „Kunst und Geschäft“ im Opernhaus abzusagen.

Zusätzliche Brisanz gewinnt die Angelegenheit dadurch, dass im Februar im Aufsichtsrat eine Entscheidung zur Vertragsverlängerung der künstlerischen Direktoren ansteht, deren Verträge eine Laufzeit bis zum Sommer 2021 haben. Lutz und Brenner haben ihr Verhältnis zu Rosinski bereits als „unrettbar zerrüttet“ beschrieben, während der Geschäftsführer im Gespräch mit dem Tagesspiegel betont, er könne sich eine weitere Zusammenarbeit vorstellen.

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