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Kultur - 10.05.2019

Im geheimen Auftrag des Staates

Alexander Fehling gewann für seine Rolle in „Das Ende der Wahrheit“ schon eine Lola, jetzt kommt der Geheimdienstthriller ins Kino.

Ronald Zehrfeld, Axel Prahl, August Zirner und Alexander Fehling (von links) als Geheimdienstler.

Ein Wolf steht am Ufer, starrt Martin Behrens (Ronald Zehrfeld) mit gesenktem Kopf aus dunklen Augen heraus an, ruhig und doch Gefahr verheißend. In den vielen extremen Nahaufnahmen wird man später noch häufig an diesen Wolf denken. In „Das Ende der Wahrheit“ scheint es ohnehin nur zwei Typen zu geben: die unauffälligen, langweiligen Beamtentypen mit der fahlen Haut, müden Augen und schlecht sitzenden Anzügen. Und eben die Wölfe – wie Behrens, den Zentralasienexperten beim Bundesnachrichtendienst, der sich schon mal als Dolmetscher ausgibt, um Asylbewerber zu erpressen. Die meisten Thriller im Nachrichtendienstmilieu brächten wohl reichlich Zeit auf, um diese Fronten aufzuweichen, Ambivalenz zu schaffen. Regisseur Philipp Leinemann hingegen stellt Mann gegen Mann: den einsamen Wolf gegen die grauen Eminenzen des Systems, Behrens gegen eine unheilvolle Allianz aus Geheimdienstlern und Wirtschaftslobbyisten.

In „Das Ende der Wahrheit“, im Januar Eröffnungsfilm des Filmfestivals Max Ophüls Preis, drängt sich das Drehbuch unentwegt in den Vordergrund – in Standardszenen wie den sorgfältig ausgeleuchteten Besprechungen in fensterlosen Räumen sowohl als auch in aufwendigen Parallelmontagen. Über CIA-Drohneneinsätzen, die in Berlin entschieden, in Bagram gestartet, von New Mexico aus gesteuert werden und im fiktiven zentralasiatischen Gebiet Zahiristan zuschlagen, schwebt Behrens’ Stimme aus dem Off: Er liest seiner Tochter Gedichte vor. Seine offensichtliche Faszination für schweres militärisches Gerät rechtfertigt der Film mithilfe eines semiphilosophischen Überbaus, behaupteter gesellschaftlicher Relevanz und aufklärerischer Absichten.

Aus welcher Richtung kommt der nächste Schlag?

Dass jedoch Geheimdienste verdeckt arbeiten und teils fragwürdiges Personal beschäftigen, ist eigentlich spätestens seit Hans-Georg Maaßen (dem Alexander Fehling als beflissener Controller im Übrigen frappierend ähnelt) keine große Überraschung mehr. Eine Stärke des Films liegt hingegen in der geringen Nahkampf-Action. Als eine Bombe im Grenzgebiet von Zahiristan detoniert, filmt Leinemann den anschließenden Schusswechsel endlich einmal auf eine Weise, bei der für einen kurzen Moment die Seiten nicht auseinanderzuhalten sind, bei der man nicht von Anfang an weiß, aus welcher Richtung der nächste Schlag kommen wird.

Als Geheimdienstler muss Behrens seine Beziehung zu Aurice Köhler (Antje Traue) streng geheim halten und seine Trauer ist unendlich, als sie in einem Café einem Kugelhagel zum Opfer fällt. Als Einziger erkennt er sofort, dass es sich um eine gezielte Exekution handelt – denn die Journalistin hatte brisante Informationen. Mit seinem Wissen, seinen menschlichen Regungen und wachsenden Zweifeln an der eigenen Institution wird Behrens sofort zum Außenseiter. Hürdenreich erscheinen seine Ermittlungen auf eigene Faust jedoch nicht. Vielmehr greifen seine Erkenntnisse und rasch gefundene Lösungen für jedes Problem so geschmiert ineinander, dass sich das Gefühl einstellt, der Film übernehme die Mechanismen des von ihm kritisierten Systems, in dem immer schon irgendein nicht anwesender Vorgesetzter die nächste gravierende Entscheidung getroffen hat oder ein Erfüllungsgehilfe aus dem Nichts auftaucht, um eine neue Spur freizulegen.

Das biblische Prinzip „Auge um Auge“ gehört weltpolitisch zum Tagesgeschäft. „Das Ende der Wahrheit“ hinterlässt aber vor allem eine depressive Grundstimmung, weil er daran erinnert, dass ein würdiger Nachfolger für Dominik Graf im deutschen Genrekino noch nicht gefunden ist.

in zehn Berliner Kinos

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