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Kultur - 08.06.2019

„Ich will die Leute happy machen“

Immer noch da: Udo Lindenberg zelebrierte mit seinem Panikorchester ein Rocktheaterspektakel in der Mercedes-Benz-Arena.

Udo Lindenberg

Es ist einer der schönsten Momente an diesem knallbunten Rock- und vor allem Theaterabend in der mit 13 000 Menschen gefüllten Mercedes-Benz-Arena: Udo Lindenberg hat gerade sein therapeutisches Selbstkasteiungsstück „Lady Whiskey“ hinter sich gebracht, hat Zeilen wie „Lady Whiskey, du falsche Schlange“ gesungen, „du sprichst vom Leben und machst mich langsam tot“. Nun steht er ganz allein vorn auf dem ins Publikum führenden Bühnensteg, endlich einmal, muss man nach dem ganzen vorhergegangenen Budenzauber sagen. Er spricht davon, dass es natürlich hätte schief gehen können, dass er hier trotzdem stehe, „und ihr auch!“ und dass das einfach großartig sei.

Und dann gedenkt er der vielen Rock’n’Roll-Toten, denen dieses Glück nicht beschert gewesen ist, trotz ihres unvermeidlichen Nachruhms. Er nennt sie alle beim Namen, Jim Morrison, Janis Joplin, Amy Winehouse. Schließlich steigt Lindenberg wieder in sein ganz eigenes Raumschiff, sein Panik-1-Flugzeug, aus dem er zu Beginn des Konzerts gekommen ist, um „in einer Galaxie der Zeitlosigkeit“ dahinzugleiten, wie er es in seiner im vergangenen Jahr veröffentlichten Autobiografie „Udo“ so treffend beschrieben hat.

„Ich will die Leute happy machen“

Zeitlos und manchmal auch ein wenig aus der Zeit gefallen ist das tatsächlich, was der 73-Jährige hier mit seinem vielköpfigen Panikorchester auf die Bühne bringt, mit zahlreichen Tänzerinnen, Artisten, Kinderchören, Gastsängerinnen, Blasmusikern und Otto Waalkes. Seit seinem Comeback-Album „Stark wie zwei“, das 2008 herauskam, ist Lindenberg wieder obenauf. Und zuverlässig ist er eben auch, bloß keine Überraschungen., wie eine Cartoon-Serienfigur. Er gibt seinen Fans, was sie erwarten, er will sie „happy machen“.

Lindenberg bearbeitet seinen ureigenen Udo-Lebensstoff mit Stücken wie eben „Lady Whiskey“, „Mein Body und ich“ oder „Mein Ding“. Er sieht aus wie immer mit seinem obligatorischen Hut, seiner Sonnenbrille (die er schon beim zweiten Stück einmal kurz absetzt), seiner schwarzen Kluft (später werden die Jacken bunter, die Socken grüner). Er ist weit jenseits einer Karikatur seiner selbst und prostet dem Publikum mit einem Gläschen Eierlikör zu (der einzige Alkohol, den er dem Vernehmen nach noch zu sich nimmt). Er singt seine größten Hits, „Andrea Doria“, „Horizont“ oder „Sonderzug nach Pankow“. Und er präsentiert sich wie eh und je als Mahner und Warner, als Polit- und Protest-Udo, was leider bis an finstere Bono-Schmerzgrenzen geht.

„Friday For Future – da steigen wir voll drauf ein“

„Die Menschheit muss die Kriege beenden, bevor die Kriege die Menschheit beenden“, predigt er von der Udo-Kanzel nach dem mit einem Kinderchor intonierten Stück „Wozu sind Kriege da?“, und irgendwann leuchten hinten auf der Leinwand die ersten drei Artikel des Grundgesetzes auf. Dass Lindenberg nicht nur Gemeinplätze über Krieg und Frieden bereithält, er nicht ganz in der Zeitlosigkeit verschwunden ist, beweist er, als er auch „Fridays for Future“ erwähnt: „Da steigen wir voll ein, da gibt es auch kein Zurück mehr“. Kaum hat er das gesagt, steht schon ein Boxring auf der Bühne, den zahlreiche Tänzerinnen füllen, um sich kurz darauf mit einer Trump-Figur und einer russischen Militäroberst-Figur zu messen.

Lindenberg ist gut bei Stimme

Es versteht sich von selbst, dass die Musik an diesem Abend eine untergeordnete Rolle spielt, der öde, rumpelige Rock der Panikorchester-Kernband. Selbst Udo taucht bisweilen ab in dem Gewusel auf der Bühne. Obwohl er ordentlich bei Stimme ist, sind es seine sehr guten Gesangspartnerinnen auf der Bühne noch mehr, Nathalie Dorra und Ina Bredehorn.

Am Ende reibt man sich die Augen nach dem vielen Flimmern und Flackern, nach Bildern vom Brandenburger Tor, nach Priestern und Engeln auf der Bühne oder auch dem „Highway-to-Hell“- Quatsch mit Otto – und man fragt sich zu späterer Stunde in Kreuzberg, da Freunde noch zu den Fleshtones ins Wild at Heart wollen: Was für eine Erzählung steckt eigentlich in dem Ganzen? Wenigstens die eine vom Rock’n‘-Roll-Überlebenden? Oder gibt es auf Lindenberg-Shows nur insulare Narrative, die sich nicht wirklich zu einem Ganzen zusammenfügen? Lindenberg hat seinen Spaß, das sieht man ihm an, wie er da so tänzelt und tigert und ohne Unterlass Kussmündchen macht. Er weiß, dass er niemals irgendwo ankommen wird, außer „in den Herzen jener Leute, die dich mögen“. Das hat er auch an diesem Abend in der Mercedes-Benz-Arena einmal mehr geschafft

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