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Kultur - 19.01.2019

Hölle und Himmel

Kontrastprogramm: Bei den Berliner Philharmonikern spielt Daniil Trifonov Schumanns Klavierkonzert, Mariss Jansons dirigiert Bruckners 6. Sinfonie

Mariss Jansons (links) mit Philipp Bohnen (Mitglied der Philharmonischen Gemeinschaft), Knut Weber (Orchestervorstand) und…

Der Manierismus ist der größte Feind der Frühreifen. Als 2013 Daniil Trifonovs Carnegie-Hall-Recital erschien, verblüffte der Pianist mit einer interpretatorischen Tiefe, wie sie 22-Jährige eigentlich gar nicht haben können . Seitdem wird er weltweit gefeiert, steht unter enormem Erwartungsdruck – und läuft Gefahr, als Interpret darüber wunderlich zu werden.

Auf seiner jüngsten CD zerdehnt er die lyrischen Passagen von Chopins Klavierkonzerten auf absolut unnatürliche, gespreizte Weise. Und auch bei seinem Auftritt mit den Berliner Philharmonikern ist da wieder dieser Drang in exzentrische Extremtempi. Im Kopfsatz von Schumanns Klavierkonzert spielt Trifonov zunächst ganz neutral, als könne er mit dem musikalischen Material wenig anfangen. Sobald sich aber die Gelegenheit dazu bietet, zieht er die Bremse, verlangsamt sein Spiel zur slow motion, trägt jeden einzelnen Ton geradezu vor sich her. Doch es bleibt bei der Behauptung von romantischer Ergriffenheit, eine wirkliche innere Anteilnahme wird nicht spürbar.

Ganz mozartisch geht Daniil Trifonov das Intermezzo an, behutsam, als wären die Klänge zerbrechlich. Doch dann beginnt er wieder zu schleppen, hemmt die Musik in ihrem organischen Fluss. Mit dem Effekt, dass der von Schumann komponierte Energiestau am Satzende nicht funktioniert, der sich eigentlich so effektvoll ins Finale entlädt. Und als der Pianist dann doch noch in Fahrt kommt, reißt es ihn geradezu fort, hopplahopp über Stock und Stein. Beim Applaus wirkt er ehrlich erleichtert, es hinter sich zu haben.

Jansons und die Philharmoniker spielen im Gleichklang der Seelen

In größtmöglichem Kontrast dazu steht Mariss Jansons Zugriff auf Bruckners sechste Sinfonie. Seit vier Jahrzehnten ist der Dirigent den Philharmonikern verbunden, anlässlich seines 75. Geburtstags haben sie ihm gerade die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Und als eingeschworene Gemeinschaft gehen sie hier ans Werk, lassen einen dieser orchestralen Glücksmomente entstehen, die Simon Rattle mit der Formulierung „Wenn wir alle in dieselbe Richtung streben, dann können wir fliegen“ zu fassen versucht.

So beseelt, so inbrünstig entfaltet sich diese Musik im Gleichklang der Seelen, dass man meint, leibhaftig dabei zu sein, wie der tiefgläubige Katholik Bruckner gerade das Paradies schaut. Gleißend gibt sich der Allmächtige in den Ballungen der Blechbläser zu erkennen, auf mirakulöse Weise entstehen aus einem einzigen Atemzug die 17 weltentrückten Minuten des Adagios.

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