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Kultur - 15.12.2018

Heiliger Hustensaft

Er rappt über Drogenküchen und gilt als exzentrischster Hip-Hop-Künstler der Gegenwart: Future wird in der Columbiahalle gefeiert.

Held im Hoodie. Future, 33, ist ein Superstar des Hip-Hop-Subgenres Trap.

Die Zukunft beginnt mit Modemgeräuschen. Mehr als eine Stunde und vier Vorgruppen nach Konzertbeginn steht der Rapper Future auf der Bühne in der Berliner Columbiahalle, ohne Diva-Verspätungen, wie es sonst bei vielen Hip-Hop-Stars üblich ist, begleitet von Netzwerkgefiepe und hinter ihm projizierten Windows-Fehlermeldungen. Ein passender Einstand für den vielleicht exzentrischsten Rapper seiner Generation, der den „turn up“ durch Musik und Hustensaft zur kosmischen Religion erhoben hat. Auf dem Jupiter fühlt er sich genauso wohl wie in einer Drogenküche, und kann zwischendurch noch glaubhaft melancholisch über zerbrochene Beziehungen nicht nur rappen, sondern auch singen. Und das alles unglaublich produktiv, mit angeblich mehr als 1000 fertigen Songs im Archiv.

Gefiepe als Avantgarde

Die Marktstrategie von Voract Ace Tee aus Hamburg ist das genaue Gegenteil dieser Content-Flut: Vor einem Jahr brauchte sie nur einen Song, die zurückhaltende Hymne „Bist du down“, um weltweit zur R&B-Hoffnung ausgerufen zu werden. Dabei wirkt ihr Sound wenig zukünftig, sondern eher wie eine bis zur Betäubung entspannte Emulation von 90er-Grooves. Live ist das zu wenig Musik für zu viel Bühne, daran ändern auch die Flygirls nicht, die mit Ace Tee tanzen, oder die Kindergeburtstags-Animationen des Rappers Kwam.e: Dosenwerfen.

Vielleicht ist so ein Retro-Act zu oldschool für einen Künstler wie Future. Auch jenseits des grandiosen Namens darf der Rapper aus Atlanta von sich behaupten, einer der Künstler zu sein, die Hip-Hop ins 21. Jahrhundert gebracht haben. Die Anfänge seiner Karriere fallen zusammen mit der ersten Blütezeit Atlantas als Hochburg für innovativen, gerne hemmungslos weirden Rap. Dem ästhetischen Ideal des Kollektivs „Dungeon Family“, dem Outkast, Goodie Mob (mit Cee-Lo Green) und sein Cousin Rico Wade angehörten, ist er bis heute verpflichtet. Das beweist ein Tattoo und seine Vorliebe für oft grotesk eingängige hooks, die auch auf der Bühne offensiv geautotuned werden.

Kommando „Move that dope!“

Heute regiert in Atlanta der Trap, HipHop zwischen Reduktion und Skizzenhaftigkeit, oft über Drogenherstellung und -handel. Future kann dieses Genre bedienen, wenn er will, und lässt die volle Halle immer wieder „Move that dope!“ intonieren. Club-Hits über den von ihm geliebten Codein-haltigen Hustensaft wechseln sich ab mit Club-Hits über von ihm geliebte Automarken und seinem Lieblingshobby, dem „Zerstören von Kommas“, dem Ausgeben großer Summen.

Nur kritischen Gegenwartsbezug darf man von Future nicht erwarten. „What a time to be alive“, verkündet er einmal, was nun wirklich alles bedeuten kann. Dafür versteht er sich in Inszenierung: Wenn Future Ekstase verkündet, während seine an keine Choreografie gefesselten Tänzer wie Hologramme flirren und hinter ihm digitale Störbilder flimmern, wird die Bühne zu einem Trailer für den neuen Blade Runner. Nur mit mehr Rap, also besser.

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