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Kultur - 12.06.2019

Friss oder stirb

Was Zombies mit uns zu tun haben? Fast alles. Wie der Regisseur George A. Romero das Horrorkino revolutionierte

Bester Schocker aller Zeiten. Das Filmplakat zu George A. Romeros „Dawn of the Dead“ von 1978.

Die Wiederauferstehung der Toten ist ein christliches Privileg. Keine andere Weltreligion kennt sie. Der Buddhismus spricht von Reinkarnationen, aber da hat man als Toter immerhin die Chance auf ein nächstes Dasein als Vogel. Wie es wäre, unter Wiederauferstandenen leben zu müssen, will man, ganz ehrlich, vielleicht aber gar nicht so genau wissen. Jedenfalls nicht, seit Filmregisseur George A. Romero 1968 ein ganzes Heer solcher Untoter mobilisierte und gegen die Welt ins Feld ziehen ließ. Da krochen sie aus ihren Gräbern und fielen ohne erkennbaren Grund über Mitbürger her, verwandelten sie in ihresgleichen; verstümmelt, gierig und apathisch, wie sie waren, verkörperten sie die Schlimmste aller Bedrohungen – unaufhaltsam zu sein.

Das Debüt des damals 28-jährigen Romero mit dem Titel „Night of the Living Dead“ war nicht nur ein Horrorfilm, sondern ein revolutionärer Akt. Aufgewachsen in der Bronx, war der Junge früh hingerissen gewesen von den Monsterfilmen Hollywoods, von den fremdartigen Schleim- und Geiferwesen, die wie Godzilla aus unergründlichen Vorzeiten zu stammen und von der Zivilisation pervertiert zu sein schienen. Und als Romero nach seinem Graphikdesign-Studium in Pittsburgh selbst daranging, Monster zu erschaffen, da habe er sie nur „von ihrem exotischen Habitus befreit und in Nachbarn verwandelt“, sagte er einmal.

Das zynische Gegenbild zur Hippie-Träumerei

Mit dem lächerlich niedrigen Budget von hunderttausend Dollar inszenierte er ein finsteres Pendant zur Woodstock-Euphorie. Sein Zombie-Film war das zynische Gegenbild zur Hippie-Träumerei, das mit dieser um den Realitätssinn der Jugend kämpfte. Während die Acid-Fraktion der 68er für sich einen freieren Lebensstil reklamierte und in Bob Dylans Schlachtruf Zuspruch fand, dass „die Zeiten reif für einen Wandel“ seien, tauchte Romero diesen Wandel in ein mörderisches, paranoides Licht.

Sein frühes Meisterwerk wurde von der Kritik zunächst als „unappetitlich und brutal“ geschmäht. Doch entging den Zeitgenossen keineswegs, dass hier einer eine neue, perfide Horrorlogik etablierte, nach der sich die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn verwischten. Und zwar zu einem Grad, dass der einzige Überlebende der Zombie- Schlacht am Ende von eben jener Bürgerwehr erschossen wird, die ihm zu Hilfe eilt – aber den Unterschied zwischen Mensch und Monster nicht mehr macht. Der Held, ein Schwarzer namens Ben (Duane Jones), wird nach allem, was ihm die Zombies abverlangt haben, mit einem Kopfschuss „unschädlich“ gemacht.

Es war wohl diese rassistische Konnotation, die „Nacht der lebenden Toten“ über das Jahr der Studentenunruhen hinaus zu bleibender Anerkennung verhalf. Der Film sollte über drei Millionen Dollar einspielen. Allerdings nicht sofort.

Romero betrachtete sich als Independent-Filmer. Er drehte erst vier weitere Filme, darunter „The Crazies“ über ein desaströses Biowaffen-Experiment und den Vampir-Stoff „Martin“, bevor er die kulturelle Sprengkraft seiner Zombie-Allegorie erkannte und sie Ende der siebziger Jahre wieder aufgriff. „Dawn of the Dead“ von 1978 gilt als bester Schocker aller Zeiten und war Auftakt für eine ganze Reihe weiterer „Dead“-Versionen, deren letzte 2008 unter dem Titel „Diary of the Dead“ ins Kino kam. Da war die Gruselgrammatik längst ausformuliert und ins Mainstream-Kino eingewandert. Aber Romero hatte den Sprung nach Hollywood verpasst, als man dort zu Beginn des Jahrzehnts an die Adaption des japanischen Videospiels „Resident Evil“ dachte. Romero war als Regisseur und Autor vorgesehen, wurde dann aber ausgetauscht durch Paul W.S. Anderson, einen Maximalisten des Effektkinos, der jeden Einfall, den er hat, zu verdoppeln und danach nochmal zu verdoppeln pflegt.

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