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Kultur - 16.12.2018

Erdogan, Brexit, Trump, was für ein Jahr!

Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr: Das Jahresendzeitteam vom Mehringhof-Theater blickt zurück auf 2016. Auch Merkel ist beim Kabarettfinale wieder dabei.

Fabulöse Fünf. Hannes Heesch, Horst Evers, Manfred Maurenbrecher, Bov Bjerg und Christoph „Angela“ Jungmann (v.l.).

Auf Angela Merkel ist eigentlich immer Verlass – jedenfalls beim kabarettistischen Jahresrückblick im Mehringhoftheater. In Gestalt von Christoph Jungmann führt die Kanzlerin jedes Jahr durchs Programm. So ist man doch arg irritiert, dass zunächst ein aufgeregter Joachim Gauck, verkörpert von Hannes Heesch, über die winzige Bühne flattert. Frau Merkel sei noch auf der Rückfahrt vom CDU-Parteitag in Essen, erklärt er, weshalb er sie vertrete.

Sollte der scheidende Bundespräsident Entertainer-Ambitionen entwickeln? Schon fürchtet man, dass er in gewohnter Eloquenz das Jahr Revue passieren lässt und moralische Appelle ans Publikum richtet, doch er sagt zum Glück nur einen Künstler an, einen Helden für viele: David Bowie. Ziggie-Stardust- Space-Overall, Plateauschuhe: Christoph Jungmann ist als Reinkarnation des Popstars umwerfend komisch. Glamour, Exzentrik, die Lust an der Verwandlung – hier kann er alles ausleben, was er sich als Merkel-Darsteller (immerhin schon seit 1997!) immer verkneifen muss. Die Cover-Version von „Heroes“ wird ist ein lustiger Kommentar zum Brexit, der in den Stoßseufzer mündet: „Allein auf der Insel. Es scheint, als ob uns keiner vermisst. Wo sind Boris und Nigel? Große Klappe und dann einfach verpisst.“

Das Abstruse und Obskure nicht den Rechten überlassen

Seit 20 Jahren blickt das Jahresendzeitteam – Bov Bjerg, Horst Evers, Hannes Heesch, Christoph Jungmann, und Manfred Maurenbrecher – zurück, nimmt dabei auch immer wieder Berliner Pleiten und Pannen ins Visier. Der Auftritt der Fünferbande: ein Jahresendzeitritual, das von unterschiedlichen Temperamenten und Tonlagen, aber auch von Konstanz lebt. Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr. Nachdem Jungmann die Wandlung von Bowie zur Bundeskanzlerin durchlaufen hat, moderiert er den Abend herrlich aufgekratzt und wie immer ein bisschen trutschig. Verlass ist auch auf Manfred Maurenbrecher: Der „Pianosaurius Rex“ haut in die Tasten als zorniger Chronist, der fremdenfeindliche Haltungen aufspießt, aber auch seine Ratlosigkeit spüren lässt.

Vortragsstil und Humorverständnis von Bov Bjerg und Horst Evers, den beiden Literaten der Fünferbande, sind genau entgegengesetzt, was durchaus reizvoll ist. Evers hält mit kindlichen Staunen die Absurditäten des Alltags fest, während Bjergs grimmige Betrachtungen sich aus einem überlegenen Wissen speisen. Evers erzählt von seinem kranken Bekannten Günther, der zum Opfer einer Luxussanierung wurde und mehr oder weniger in einem riesigen Badezimmer haust. Und gibt die Parole aus, das Abstruse und Obskure nicht den Rechten zu überlassen. Was in der Praxis nicht so leicht umzusetzen ist. Bov Berg ist ja bekannt für Überrumpelungswitz und Anarcho-Appeal. „Donald Trump hat die Wahlen gewonnen – und ist jetzt Bürgermeister von Berlin.“ Was für eine Fallhöhe! Seine Ausführungen zu einer „verkürzten Kapitalismuskritik“ zünden aber nicht richtig.

Falafel, Humus und doppelte Staatsbürgerschaft

Wie immer darf das Publikum ein Thema fürs Rededuell vorschlagen. Das ist diesmal etwas abseitig: Arabische Küche in der Kantine. Angela Merkel überzeugt mit einer orientalischen Gesangnummer mit Bauchtanzeinlage. Horst Seehofer, dem Heesch eine bajuwarische Bräsigkeit gibt, erblickt dagegen in Falafel und Humus das kulinarische Entsprechung zur doppelten Staatsbürgerschaft.

Mit Jan Böhmermann hat die Kanzlerin ja noch ein Hühnchen zu rupfen. Sie will dem unerschrockenen Fernsehmoderator beweisen, dass sie sich von Erdoğan den Schneid nicht abkaufen lässt. Mit aufgeklebten Bart und spürbaren Muffensausen trägt sie eine „Schmähkritik“ vor, bei der alle ihr Fett abkommen: von Viktor Orbán bis Theresa May. Schließlich nimmt sie allen Mut zusammen und reimt: „Den allergrößten Schuss hat der Mann vom Bosporus.“ Netter Versuch!

Trump als Kasino-Kapitalist

Dann wartet noch eine besondere Heimsuchung auf die Gastgeberin. So einen miesen Politik-Darsteller hat sie noch nicht erlebt. „Achtung! Achtung! Donald Trump“ singen Berg und Evers zur Melodie von „Major Tom“. Schon stürmt Heesch als „Man of the Year“ auf die Bühne . Mit verwehter Haartolle und zerknautschter Visage gibt er den Kasino-Kapitalisten, der sich zum Freund der Deutschen aufspielt, dabei aber mangelnden Geschichtskenntnisse offenbart. Deutschland sei „so small, so putzig“, ruft er aus. Um Merkel zu raten: „You have to make Germany great again.“

Als die ihn daran erinnert, dass die Deutschen die Oder- Neiße-Grenze anerkannt haben, meint er: „Ich nicht!“ Dann rauscht er beleidigt ab, gottseidank ohne das Mehringhoftheater noch schnell seinem Imperium einzuverleiben. Was für ein Jahr! Die fabulösen Fünf beweisen, dass sie ihr Pulver noch lange nicht verschossen haben. Sie sind immer noch eine Berliner Instanz.

Mehringhof-Theater, bis 8. Januar weitgehend ausverkauft. Karten noch 15. und 21. Dezember und 4. und 5. Januar. Weitere Vorstellungen 12.-15. Januar in der Komödie am Kurfürstendamm.

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