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Kultur - 21.11.2018

Ein Meister des Pianissimo

Befremdlich und faszinierend: Der polnische Pianist Piotr Anderszewski weiß im Pierre Boulez Saal seine Zuhörer zu fesseln.

Piotr Anderszewski, geboren 1969 in Warschau.

Die beste Performance an diesem Abend liefert: das Publikum. Im Pierre Boulez Saal ist zu erleben, was es bedeutet, wenn ein Publikum „ganz Ohr“ ist. Kein Rascheln, kein nervöses Husten, es herrscht eine geradezu berauschende Aufmerksamkeit im Oval des Auditoriums.

Piotr Anderszewski allerdings weiß seine Zuhörer zu fesseln. Der polnische Pianist ist ein Meister des Pianissimo, keiner vermag die Tasten des Steinway-Flügels so zart anzuschlagen wie er. Was er hier vorführt, ist eine Musik, die das Minimale anstrebt, ja in letzter Konsequenz ihr eigenes Verschwinden in der Stille.

Ein akustisches Aquarell

Eigenwillig und exzentrisch wirkt das im ersten Konzertteil. Phänomenal spielt er Mozarts „c-Moll-Fantasie“, im lateinischen Sinne von phaenomenon, also wie eine Lufterscheinung, eine Vision. Geister begegnen sich, schwerelose, auch solche, die in Ketten geschlagen sind. Denn einigen Tönen gibt der Pianist enormes Gewicht, während andere ohne jede Bodenhaftung bleiben. Dieser Licht-Schatten-Wechsel ist romantisch gedacht, aber angemessen für die von allen Tonsatzregeln befreite Form der Fantasie – an die Anderszewski dann nahtlos die ebenfalls in c-Moll stehende Sonate KV 457 anschließt. Hier jedoch wirkt der innere Monolog des Interpreten etwas manieriert. Ebenso wie bei Chopins Mazurken Opus 56, denen er alles Rhythmische nimmt, indem er bewusst antivirtuos angeht, in sich versunken, traumverloren. So entsteht ein akustisches Aquarell, bei dem sämtliche Konturen zerfließen, das befremdet, in seiner künstlerischen Konsequenz zugleich aber auch fasziniert.

Klarer agiert Anderszewski im zweiten Teil: In Leos Janaceks Sammlung „Auf verwachsenem Pfade“ lässt er viel erhellendes Licht, macht er die Stücke für den Hörer gut nachvollziehbar, ohne ihnen ihren atmosphärischen Zauber zu nehmen. Geradezu logisch erscheint da Anderszewskis Entscheidung, Barockes folgen zu lassen, Bachs 6. Englische Suite, die er kraftvoll spielt bei gleichzeitigem feinem Sinn für die Bewegungsfreiheit der einzelnen Stimme in den kontrapunktischen Passagen.

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