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Kultur - 16.03.2019

Ein Himmel voller Hoffnung

Feiner Drama-Pop aus England: Florence + The Machine gaben im ausverkauften Berliner Velodrom ein mitreißendes Konzert.

Die 29-jährige britische Sängerin Florence Welch.

Das Berghain steht ja inzwischen auch bei prominenten Berlin-Gästen auf dem Sehenswürdigkeiten-Plan. Man muss dort getanzt haben wie Claire Danes oder zumindest erklären können, warum man nicht da war wie Jennifer Lawrence. Auch Florence Welch hatte eigentlich vor, die heiligen Hallen hinter dem Ostbahnhof zu besuchen, als sie einmal in der Hauptstadt weilte. Doch dann schafften sie und ihre Freunde es nicht vor die Tür – und verlegten ihre Party kurzerhand ins Badezimmer. „Das war unser Bathhain“, erzählt sie lachend auf der Bühne des Berliner Velodroms.
Am Tag nach der Sause im Sanitärbereich habe sie einen extrem schlimmen Kater gehabt. Vergleichbar nur dem, der sie einmal im Londoner Stadtteil Crystal Palace gequält habe. Dort musste sie am Folgetag ins Studio und schaffte es immerhin den Song „Cosmic Love“ zu schreiben, den sie nun nur begleitet von Klavier, Gitarre und Harfe singt. Das ist nach einer Stunde in euphorischer Dauererregung eine willkommene Durchschnaufpause – allerdings geht es anschließend gleich wieder mit voller Power weiter.

Florence + The Machine sind die Starkstromelektrikerinnen des britischen Pop. Bekannt geworden mit ihrem vor sechs Jahren veröffentlichten Debütalbum „Lungs“ hat die Band, deren einzige personelle Konstanten Sängerin Florence Welch und Keyboarderin Isabella Summers sind, sich zu einem echten Big Player entwickelt. In Großbritannien schafften es alle Florence + The Machine-Alben auf den ersten Chartplatz, in den USA gelang dies mit dem im Frühjahr erschienen dritten Album „How Big, How Blue, How Beautiful“, das kürzlich zudem für fünf Grammys nominiert wurde.

Bei ihrem mit rund 9000 Besuchern ausverkauften Berliner Konzert stehen diese neuen Song dann auch im Zentrum. Sie weisen einen bekannt hohen Drama-Faktor auf, sind aber persönlicher geraten als die oft mit Metaphern überladenen früheren Lieder. Gleich als zweites spielt die elfköpfige Band den Album-Opener „Ship To Wreck“. Eine schnelle, einfache Rocknummer, die sofort im Kopf hängen bleibt, sich bei aller Radiofreundlichkeit allerdings in ziemlich düstere Regionen begibt. Es geht um Selbstzerstörung, Schlaftabletten, Alkohol: „Did I drink too much? Am I losing touch?/ Did I build a ship to wreck?“ singt Welch, die tatsächlich lange zu viel getrunken hat. Jetzt braucht sie keine Drinks mehr, um sich auf die Bühne zu trauen. Auch die extravaganten Kostüme, für die sie einst bekannt war, hat sie abgelegt. Das Versteckspiel ist vorbei.

Klangwände und Kunstpausen

Im Velodrom trägt die 29-Jährige eine schlichte weiße Satin-Schlaghose, weiße Weste, beige Bluse und eine locker gebundene Krawatte. Sie schüttelt ihre nicht mehr ganz so knallig rote Mähne, rennt viel herum, springt wie ein Gummiball und, dreht sich in schnellen Pirouetten auf der Stelle. Wenn sie dabei mal kurz das Singen vergisst, macht das nichts, denn sie hat fünf kompetente Backgroundsängerinnen dabei, von denen sich drei zwischendurch auch als Blechbläser-Sektion betätigen. Ihren schönsten Moment hat diese während der Coda von „How Big, How Blue, How Beautiful“, das vom Himmel über L.A. inspiriert wurde und in den die jubilierende Trompete am Ende aufzusteigen scheint.
Die Band liebt es imposante Klangwände hochzuziehen, mitunter sogar verstärkt von Extra-Trommeln, die in der Bühnenmitte aufgestellt sind. Doch sie beweist auch immer wieder ihr gutes Gespür für Dynamikwechsel und Kunstpausen. Meisterhaft zelebrieren sie das etwa bei dem frühen Hit „Dog Days Are Over“, den sie aus einer Überwältigungswelle souverän auf eine einzelne Gitarre herunterbremsen, um Florence Welch’ fast ins Kopfstimmenregister steigenden Gesangspart in der Songmitte richtig strahlen zu lassen. Und über den folgenden Bum-Bummbumm-Mitklatsch-Teil freut sich die Menge bis in die letzte Reihe.

Eine junge Frau hält auf der Bühne um die Hand ihrer Freundin an

Welch bemüht sich auch sonst darum, das Publikum einzubinden – mehr zu machen als die üblichen „We love you“-Ansagen. So tritt sie während der ersten Zeilen ihrer „You Got The Love“-Coverversion an den Bühnenrand und fragt in eine der vorderen Reihen hinein: „Will you marry this beautiful woman?“ Die Antwort ist offenbar ja, das glückliche Paar wird auf die Bühne gebeten. Zwei junge Frauen. Die eine kniet nieder und präsentiert der anderen einen Ring, während Florence Welch im roten Licht singt. Danach gibt’s eine Gruppenumarmung und die Sängerin scheint mindestens so überwältigt zu sein wie die jungen Liebenden, für die der ganze Saal in den Refrain einstimmt. „Ich glaube, ich hatte noch nie einen Heiratsantrag auf der Bühne“, sagt die Britin anschließend. Jetzt kann sie also auch eine eigene Berlin- Story erzählen. Muss ja nicht immer das Berghain sein.

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