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Kultur - 13.01.2019

Die Spur der Lieferanten

„Out of Africa“: Bénédicte Savoy fordert in Berlin eine zügige Rückgabe von Kulturgütern.

Streitbare Kunsthistorikerin. Die Französin Bénédicte Savoy.

Zu kompliziert, zu teuer, uferlos – an Kritik mangelte es nicht, als Bénédicte Savoy und Felwine Sarr dem französischen Präsidenten im November ihre Vorschläge unterbreiteten, wie Kunst aus kolonialem Kontext in Frankreichs Museen den Nachfahren in Afrika zurückgegeben werden könnte. Die Ansage, 90 000 Objekte gehörten restituiert, allein 60 000 aus dem Pariser Musée du Quai Branly, hatte ein Beben in der Museumswelt ausgelöst, fühlen sich doch die Ethnologischen Sammlungen in London, Berlin, Washington unter Rechtfertigungsdruck. Prompt hagelte es vor allem praktische Gegenfragen: Wie soll die Restitution erfolgen in Länder, denen geeignete Häuser zur Aufnahme der Artefakte fehlen? Besteht nicht die Gefahr, dass sie in falsche Hände geraten?

Der Hörsaal 1b der Freien Universität Berlin ist entsprechend gut besucht, als Bénédicte Savoy auf Einladung des „Dahlem Humanities Center“ zum Thema „Out of Africa. Wie afrikanische Objekte in unsere Museen kamen“ spricht. Die an der TU Berlin und dem Collège des France in Paris lehrende Kunsthistorikerin hat im Wissenschaftsbetrieb mittlerweile den Ruf eines Popstars – den sie auch nicht enttäuscht. Zum Einstieg zeigt sie eine Szene aus dem Actionfilm „Black Panther“, die in der Afrika-Abteilung des British Museum spielt. Ein schwarzer Dreadlock-Träger in Streetwear weist darin die arrogante, weiße Kuratorin zurecht.

Eine europäische Familienangelegenheit

Nach einem Exkurs zu ihrer ersten Begegnung als Sechsjährige mit dem Thema Ende der Siebziger in den französischen Abendnachrichten, als die Unesco frühe Vorstöße zu Restitutionen machte, hebt Savoy zu einem brillanten Vortrag über das Was, Wie und Wer der französischen Beutezüge in Subsahara-Afrika an. Anschaulich vermittelt sie, wie sich in Frankreich, aber auch in England, Deutschland und Belgien parallel zum Vordringen der Kolonisatoren die ab Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Völkerkundemuseen füllten. „Museen waren und sind politisch“, sagt Savoy.

In den Ausstellungshäusern mit ihren repräsentativen Bauten manifestierten sich wissenschaftliche Kompetenz und exterritoriale Machtansprüche. Zu ähnlichen Schlüssen kam auch die Provenienzforscher Gesa Grimme für das Stuttgarter Linden-Museum mit ihrem ebenfalls 2018 vorgelegten Report: 90 Prozent der Objekte aus Kamerun und Namibia stammen aus der Kolonialzeit. „Das ist eine europäische Familienangelegenheit“, beschwört Savoy ihr Publikum.

Für sieben Francs erworben, für 2000 Francs versteigert

Für ihren gemeinsam mit dem senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr verfassten Bericht konnte sie auf die Datenbank des Quai Branly zurückgreifen und präzise herleiten, wer die Lieferanten der Exponate waren: Abenteurer, Kolonialbeamte, Missionare, Militärs, Wissenschaftler. Letztere wollten dokumentieren, wovon sie wussten, dass es durch den Kontakt mit Weißen unwiederbringlich verloren geht. Nicht als gute Tat, sondern weil sich auch die Verwaltung und Besteuerung der Kolonien durch systematische Erfassung besser leisten ließ, wie Savoy anhand von Zitaten aus Briefen und Forscherberichten belegt. Per Sprechblase schiebt sie in ihrer Powerpoint-Präsentation die brutalen Aussagen in die Münder früher Anthropologen. Deren Pioniertaten erscheinen längst in anderem Licht.

Auch das Argument, viele Objekte seien legal gekauft, entkräftet Savoy – am Beispiel einer Maske aus dem Quai Branly. Erworben für sieben Francs, damals so viel wie zwölf Eier, erbrachte sie im Pariser Auktionshandel 200 Francs, Spitzenstücke sogar 2000 Francs. Die Lieferanten wussten um die Gewinnspanne.

Befragt, wie jenseits der Restitution mit den Schatten der Vergangenheit umzugehen sei, forderte Savoy zunächst die Anerkennung, dass tatsächlich Blut an den Objekten klebe. „Es geht nicht darum, uns zu geißeln,“ betont die Französin, „sondern darum, eine bessere Beziehung mit den Ländern einzuleiten.“ Der Großteil der Bevölkerung Afrikas ist heute jünger als 20 und hat keinen Kontakt mehr zur Kultur seiner Vorfahren, häufig nicht einmal mehr zur Tradition der Großeltern. Denn 90 Prozent des afrikanischen Erbes befindet sich in europäischen Museen.

Felwine Sarr stellt am 13. 1. (19 Uhr) im Maxim Gorki Theater sein Buch „Afrotopia“ (Matthes & Seitz Verlag) vor. Am 14. 1. (19 Uhr) spricht Bénédicte Savoy mit ihm im Centre Français (Müllerstr. 74) über die Restitution afrikanischer Kulturgüter.

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