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Kultur - 11.07.2019

Die Kursk war ihr Schicksal

Im Jahr 2000 sank das russische U-Boot Kursk. Der dänische Regisseur Thomas Vinterberg macht die Tragödie zum rein westlichen Propaganda-Drama.

Matthias Schweighöfer als russischer Leichtmatrose.

Die erste Explosion kommt unvermittelt. Der defekte Torpedo, den das U-Boot für eine Übung an Bord hat, detoniert, bevor er abgefeuert wird. Eine Feuerwalze bahnt sich ihren Weg durch die engen Gänge und überrollt die Matrosen. Das Boot sinkt auf den Boden der Barentssee. Dann ein zweiter und ein dritter Knall, eine gewaltige Blase bläht sich um das U-Boot auf und fällt in sich zusammen. Von den 118 Besatzungsmitgliedern überleben zwei Dutzend die Explosion. Im hinteren Teil des stählernen Sargs warten sie auf ihre Rettung, die niemals kommen wird.

Ob sich die Tragödie um das russische Atom-U-Boot „Kursk“ so abgespielt hat, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Auch 19 Jahre nach dem Unglück sind viele Fragen ungeklärt, weite Teile des Untersuchungsberichtes bleiben unter Verschluss. Eindrucksvoll sind die Bilder dennoch, die der dänische Regisseur Thomas Vinterberg (Das Fest) für das Unglück findet. Sie sehen nach Hollywood aus, sind aber „made in Europe“. Das Drama ist eine belgisch-französisch-norwegische Ko-Produktion.

„Kursk“ basiert auf dem Buch „A Time To Die“ des US-amerikanischen Fernsehjournalisten und ehemaligen Russlandkorrespondenten Robert Moore aus dem Jahr 2002. Aus dieser Vorlage hat Robert Rodat ein Drehbuch gestrickt: ein Spezialist für Skripte, in denen Fragen der politischen Gesinnung (Der Soldat James Ryan, Der Patriot) nicht unbedingt differenziert beantwortet werden.

August Diehl und Matthias Schweighöfer in russischen Uniformen

Nach russischer Beteiligung sucht man bei „Kursk“ jedenfalls vergebens, sowohl in der Crew als auch unter den Schauspielerinnen und Schauspielern. Der Belgier Matthias Schoenaerts bringt die nötige Physis und Traurigkeit im Blick mit für den Kapitänleutnant Averin: einem unverzagten Anführer, der den Lebenswillen des Häufleins Überlebender am Meeresgrund wachhält. Um ihn herum: bekannte Gesichter wie August Diehl und Matthias Schweighöfer in russischen Uniformen – und alle sprechen Englisch miteinander. Kurz vorm Ablegen schauen sie noch einen Auftritt der Metalband Metallica auf dem mitgebrachten Fernseher, wenn es eng wird, stimmen sie ein englischsprachiges Seemannslied zur Melodie von „O Tannenbaum“ an.

An Land wird die Sache nicht russischer: Léa Seydoux spielt Averins Frau Tanya. Ihr bleibt eigentlich nicht viel mehr zu tun als hoffen, warten und die Haltung des Militärs anzuprangern, das das Unglück aus Furcht vor einer Blamage und möglicher Spionage durch internationale Hilfsorganisationen am liebsten unter den Teppich kehren würde. Stellvertretend dafür steht Admiral Petrenko, ein Relikt aus dem Kalten Krieg, der von dem Schweden Max von Sydow gespielt wird. Er schlägt die angebotene Hilfe des britischen Commodore Russell (Colin Firth) so lange aus, bis es auch für die letzten Matrosen an Bord des U-Boot-Wracks zu spät ist.

„Kursk“ lässt Potential zur Versöhnung anklingen, das in einer gemeinsamen Rettungsaktion geschlummert hätte. Gleichzeitig nutzt er die Tragödie, um die Fahrlässigkeit und Verlogenheit der russischen Autoritäten zu illustrieren. So begründet diese Kritik auch sein mag – vorgebracht in einem rein westlichen Filmprojekt wirkt sie merkwürdig gestrig.

„Kursk“ umweht ein Hauch von Aktualität

Gleiches gilt für die klassische Geschichte einer Männerrunde, die trotz schwindenden Sauerstoffs durchhält. Einer wächst über sich hinaus, ein anderer wird wegen seiner aufsteigenden Panik zum Sicherheitsrisiko. Wieder ein anderer sorgt mit seinen Sprüchen im Angesicht des nahenden Endes für comic relief. Das kommt einem alles irgendwie bekannt vor, nicht zuletzt durch die aktuelle Neuauflage von „Das Boot“. Über weite Strecken hält sich der Film letztlich aber doch mit Pathos zurück.

Dem Déjà-vu zum Trotz: „Kursk“ umweht der Hauch von Aktualität. Vergangene Woche kostete ein Feuer an Bord eines russischen U-Boots 14 Offiziere das Leben. Ort des Unglücks: die Gewässer vor der Halbinsel Kola, ziemlich genau dort, wo vor 19 Jahren die Besatzung der „Kursk“ ihr Ende fand.
In 9 Berliner Kinos, OmU: Bundesplatz, Delphi Lux, Filmkunst 66, Il Kino, Kulturbrauerei, Rollberg

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