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Kultur - 12.05.2019

Der Sommer könnte ewig bleiben

Nach der Insolvenz des Stroemfeld Verlags erscheinen die Bücher des 2013 verstorbenen Schriftstellers Peter Kurzeck nun bei Schöffling.

Der Schriftsteller Autor Peter Kurzeck, der 2013 gestorben ist. Hier aufgenommen in Frankfurt am Main im Jahr 2000.

Die Frage hat den Schriftsteller Peter Kurzeck sein langes Schreibleben bewegt: „Geht das: So erzählen, dass die Zeit stehen bleibt?“, lautet sie in seinem 2011 veröffentlichten Roman „Vorabend“, und in Variationen steht sie auch in so einigen anderen seiner Bücher. Dass das ein Traum bleiben würde, wusste Kurzeck. Was ihn nicht daran hinderte, hartnäckig und obsessiv an diesem Zeit-Stillstand zu arbeiten. Als er 2013 verstarb, waren fünf Bände seiner Mitte der neunziger Jahre begonnenen autobiografischen Chronik „Das alte Jahrhundert“ erschienen, einem monumentalen Erinnerungswerk, dessen Dreh- und Angelpunkt auf der Erzählebene die Jahre 1983/84 sind. Über diese Zeit hinaus wollte Kurzeck nie schreiben. Das Leben, das er nach 1984 führte, war ein dem Erinnern und Schreiben gewidmetes, also auch keiner Zeile mehr wert.

Dabei peinigte Kurzeck oft das Gefühl, die Zeit laufe ihm davon, er müsse schneller schreiben, nicht zuletzt weil er seiner Ansicht nach zu wenig Anerkennung bekam. Zum Beispiel in Form des Georg- Büchner-Preises, der ihm tatsächlich nie verliehen wurde. Ob er ihn erhalten hätte, wenn er Suhrkamp-Autor geworden wäre? Bei Suhrkamp sollte 1979 sein Debütroman „Der Nussbaum vom Laden gegenüber, in dem du dein Brot kauftest“ erscheinen. Kurz vor Drucklegung entschied Siegfried Unseld jedoch, dies sei „Kneipenliteratur“ und nichts für Suhrkamp. Was allein deshalb seltsam ist, weil wenige Jahre später bei Suhrkamp Rainald Goetz’ viel im Münchener Nachtleben spielender Debütroman „Irre“ erschien.

Kurzeck wurde beim Suhrkamp Verlag von Siegfried Unseld abgelehnt

Kurzeck landete bei KD Wolffs Verlag Roter Stern/Stroemfeld. Dieser war zwar kein potenzieller Büchner-Preis-Verlag. Aber er hielt treu zu seinem Autor und veröffentlichte schöne Ausgaben von Kurzecks frühen Büchern und den Bänden von „Das alte Jahrhundert“. Auch um Kurzecks Nachlass kümmerte man sich bei Stroemfeld. 2015 kam hier der sechste Band der Chronik heraus, „Bis er kommt“, weitere sollten folgen. Doch dann musste Wolffs Verlag 2018 Insolvenz anmelden. Der tote Kurzeck mit seinem nicht kleinen Nachlass stand ohne Verlag da – bis sich Kurzecks Nachlassbesitzerin und Rechteinhaberin, seine Tochter Carina, mit dem ebenfalls in Frankfurt ansässigen Schöffling Verlag einig wurde.

Im August dieses Jahres erscheinen nun die ersten Kurzeck-Bände bei Schöffling. Es scheint, schaut man sich das Herbstprogramms des Verlags an, als sei die frühere Ausstattung beibehalten worden. Und, viel wichtiger, als stehe wie bei Stroemfeld die Werkpflege ganz oben auf der Agenda, nicht nur weil die Kurzeck-Herausgeber Rudi Deuble und Alexander Losse weiterhin an Bord sind. Schöffling hat auch den Lagerbestand von Stroemfeld übernommen, auf dass Kurzecks Bücher nicht auf den Ramschtischen landen. Veröffentlicht wird zunächst der bei Stroemfeld vergriffene Debütroman sowie „Als Gast“, der ebenfalls vergriffene zweite Teil des „Alten Jahrhunderts“. Und dann gibt es erstmals die 1984 ursprünglich für die Zeitschrift „Pflasterstrand“ geschriebene Erzählung über Frankfurts Bahnhofviertel als Buch und es erscheint der siebente Teil der Chronik, „Der vorige Sommer und der Sommer davor“.

Im August erscheint aus dem Nachlass der 7. Teil seiner Chronik „Das alte Jahrhundert“

Der schließt dieses Mal wirklich an den Vorgängerband an, rückläufig in der Zeit, versteht sich. Wartete Kurzeck in „Bis er kommt“ immer auf den Anruf seines Freundes Jürgen aus Südfrankreich – dieser war gerade von seiner Freundin Pascal verlassen worden –, so erzählt er nun von jenem Sommer davor, als er mit seiner Frau und Töchterchen Carina nach Südfrankreich trampt. Doch er erzählt auch vom Schreiben, „vom Restsommer in Frankfurt, dem griechischen Biergarten in Bockenheim, dem Ausflug ins Mainfränkische“, so der Schöffling Verlag.

Ein Fest für Kurzeck-Fans also. Vier weitere Prosabände sollen in den nächsten Jahren folgen, darunter ein Paris-Buch und eine Art Seitenbuch von „Vorabend“. Mit dem neuen Verlag könnte sich für Peter Kurzeck posthum bewahrheiten, was er in „Übers Eis“, dem ersten Chronik- Teil, inständig erflehte: „Ich schrieb, um zu bleiben. Damit ich bei mir selbst und auf der Welt bleiben kann alle Tage.“

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