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Kultur - 16.05.2019

Der Gegenspieler

Jazz meets Techno: Jason Moran misst seine pianistischen Kräfte an Werken von Arthur Jafa und Robert Hood.

Szene aus Arthur Jafas Video-Bilderrausch „APEX“, der in der Stoschek Collection zu sehen ist.

Ein filmisches Epos in acht Minuten und 22 Sekunden. Ein im Maschinenpuls aus der Frühzeit des Minimal Techno gleichmäßig sequenziertes Bildergewitter aus ungezählten Stills und einer einsamen Bewegtaufnahme, das der white supremacy in den USA am Beispiel der Musik zu Leibe rückt. Eine alternative Geschichtsschreibung mit afrofuturistischen Einsprengseln. Für Arthur Jafas über fünf Jahre hinweg entstandenes Video „Apex“ aus dem Jahr 2013 gibt es viele mögliche Beschreibungen.

Der Künstler selbst sieht darin eine Verwandtschaft zu dem nur als Modell realisierten Revolutionsdenkmal, das der Russe Wladimir Tatlin 1920 erbauen wollte: einen 400 Meter hohen Turm mit Radiosender in Petrograd, dem nachmaligen Leningrad und heutigen St. Petersburg. Für ihn ist es die Idee von etwas, das in seiner monumentalen Dimension nicht Wirklichkeit werden konnte: „Power, beauty, and alienation“ der schwarzen Musik in einem.

Video10.11.2018, 17:14 Uhr00:54 Min.God is a DJ: Robert Hood legt in Berliner St. Thomas Kirche auf

Zur Finissage von Jafas Ausstellung in der Julia Stoschek Collection ist „Apex“ als fünffacher Loop noch einmal zu sehen. B.B. King, Jimi Hendrix, Miles Davis, John Coltrane und Michael Jackson huschen über die Leinwand, kontrastiert von weißen Stars wie Neil Young oder Robert De Niro in „Taxi Driver“. Monster und Comicfiguren, Körperorgane und Zellen in Großaufnahme treffen auf Waffen und Szenen von Gewaltverbrechen.

Vor allem ist „Apex“ diesmal ein akustisches Ereignis, und zwar nicht nur durch Robert Hoods „Internal Empire“ von 1994, das Jafa als Soundtrack dient, sondern durch Jason Morans pianistische Überschreibungen. Am Anfang seiner „Apex Variations“ müht sich das Klavier trotz Verstärkung noch, gegen das Pumpen der Bässe anzukommen, doch allmählich verschieben sich die Gewichte. Ungefähr ab der Hälfte sind Soundtrack und Live-Performance von der Lautstärke her dann gleichauf. Und während die elektronischen Sounds mehr und mehr verdämmern, tuckert das Klavier in seinen tiefsten Regionen mit abgedämpften Saiten schließlich allein im vorgegebenen Takt.

Kräftemessen. Jason Moran in der Julia Stoschek Collection Berlin.

Im Lauf dieses Kräftemessens verschieben sich auch die musikalischen Strategien. Wo Moran mit der reinen Verdoppelung der Synthiephrasen beginnt, setzt er ihnen bald eigene rhythmische Akzente entgegen. Er fügt Melodisches hinzu, wo das Nichtmelodische regiert, und er rebelliert mit heftigen Clusterattacken auf das mechanische Korsett. Aus dem anfänglichen Mitspielen wird ein Anspielen und schließlich ein Umspielen.

Der 1975 geborene Jason Moran hat wie kein anderer maßgeblicher Jazzpianist seiner Generation die stilistische Offenheit seiner Musik in genreübergreifende Kunst- und Theaterprojekte überführt. Beim Berliner Jazzfest war er gerade erst mit seiner Multimediaperformance „James Reese Europe & The Absence of Ruin“ zu Gast, der Hommage an einen schwarzen Pianisten und Bandleader vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Und auf seinem eigenen Label Yes Records hat er zuletzt seine Musik für die Documenta-Performerin Joan Jonas und die Malerin Julie Merehtu veröffentlicht. Die ganze Breite seiner Arbeit dokumentiert ein Katalog des Walker Arts Center in Minneapolis. Mit den „Apex Variations“ hat er ihr eine kraftvolle Nuance hinzugefügt.

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