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Kultur - 15.05.2019

Berliner Finale in alter Formation

Abschied im Kammermusiksaal: Nach 30 Jahren Artemis und 15 Jahren Konzertzyklus in Berlin bedankt sich der Cellist Eckart Runge beim Publikum.

Das Artemis Quartett

Harsch geht es los, ein aggressiver Schubert, mit einer Triolen-Textur, die von existentieller Unruhe kündet. Das Artemis Quartett spielt „Der Tod und das Mädchen“: Die Panik legt sich selbst dann nicht, wenn sich Nebelfelder auftun, in denen Schemen herumirren. Schnell wird der Fokus wieder scharf gestellt, bis zum trotzigen Finale. Eckart Runges Cello weist die Richtung, ohne je dominant zu werden, hebt auch mal den Ernst der Lage aus den Angeln, mit kecken Seitenhieben, etwas Lakonie. Und Primgeigerin Vineta Sareika weiß den Augenblick auf betörende Weise zu veredeln, mit Passagen der Wehmut, einer Lieblichkeit und Schönheit, die schmerzt. Sie beide sind Herz und Seele des Quartetts in der jetzigen Formation.

Runge hört auf, der letzte aus der Gründungsformation, auch Anthea Kreston, die zweite Geige seit 2016. Für den 15. Mai ist die „Stabübergabe“ im Kammermusiksaal angekündigt, nach der Pause musiziert dann die neue Besetzung, Violinistin Suyoen Kim und Cellistin Harriet Krijgh neben Sareika und dem Bratscher Gregor Sigl. Vor der Zugabe – dem Andante aus Mozarts Dissonanzen-Quartett – bedankt sich Runge denn auch bei seinen Kollegen, den Veranstaltern, dem Publikum, nach 30 Jahren Artemis und 15 Jahren Konzertzyklus in Berlin. Er freut sich, dass es weitergeht, ohne ihn. Man möchte ihm zustimmen, wenn da nicht seine Kadenz in der Chaconne von Brittens C-Dur-Quartett Nr. 2 wäre: In wenigen Sekunden durchmisst Runge ein Universum, das ganze Spektrum menschlichen Ausdrucksvermögens, verwegen, souverän, ergreifend.

Vielversprechendes Werkstattkonzert

Eigentlich ließe sich der Abend als vielversprechendes Werkstattkonzert einordnen. Die Artemisten kämpfen wieder um die Unbedingtheit der Interpretation. Da verrutscht auch mal die Intonation, zu Beginn von Schuberts Variationssatz oder bei der schrillen Klimax von Samuel Barbers berühmtem Trauer-Adagio, da gelingen nicht alle Tutti minutiös simultan. Man wünscht sich Zauber, auch Überwältigung und wird stattdessen Zeuge eines Ringens um die Wahrheit der Werke.

Wie die vier in Brittens Chaconne-Variationen sämtliche Strategien des Nachhorchens erproben, wie sie voller Leidenschaft die Melodik des 1945 uraufgeführten Werks offenlegen, in Clinch geraten, sich zusammenraufen, Trillerketten winden und einander melancholische Kantilenen gönnen, ist dann doch große Streichquartettkunst. Eckart Runge gibt auch hier den Ton an, ganz nebenbei. Es fällt schwer, sich Artemis ohne ihn vorzustellen.

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