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Kultur - 06.07.2019

Berlin feiert Mies van der Rohe

Liegen, sitzen, leben: Gleich mehrere Ausstellungen in Berlin widmen sich dem Werk des Architekten Mies van der Rohe.

Blick ins Herrenzimmer. Originalabzug im Archiv des Kunstgewerbemuseums.

Extrem bequem sitzt es sich hier. Hat man erst mal die Beine hochgelegt, den Rücken an die feste Polsterung geschmiegt und die Kühle der Stahlrohrarmlehnen erspürt, will man nicht mehr aufstehen. Ludwig Mies van der Rohes s-förmige Liege passt stilistisch perfekt ins minimalistische Ambiente von Haus Lemke am Obersee in Hohenschönhausen.

Ein Exemplar des Designklassikers wurde jetzt zum Probesitzen im ehemaligen Arbeitszimmer zurechtgerückt. Gestanden hat die stylische Chaiselongue „MR 242 CL“ bei dem kinderlosen Ehepaar Lemke allerdings nie, Stahlrohrmöbel waren nur 1933 für ein Werbefotoshooting zu Gast. Aufgepasst also, wer hier im Rahmen der mehrteiligen Ausstellungsreihe „Mies – Sitzen und Liegen“ über Konventionen des Wohnens sinnieren will.

Handlungsanregungen für lockernde performative Aktivitäten bietet Thomas Ruffs frühe Fotoserie „La Rêverie“ von 1982. Auf den SW-Fotos führt der damals 24-jährige Künstler lapidar vor, wie sich zwei moderne Polstersessel zum Hocken und Knien oder für gewagte Liegestützen auf der Lehne eignen.

Möbel neu denken, darum ging es auch Mies und seiner Mitarbeiterin Lilly Reich, mit der er schon bei der Einrichtung der Villa Tugendhat in Brünn kooperiert hat. Wie sich das Ehepaar Lemke von ihnen die Räume höchst sparsam, aber exquisit ausstaffieren ließ, zeigen die teils erhaltenen Stücke.

Spröde museale Präsentation

Um sie zu sehen, muss man allerdings ins Kunstgewerbemuseum fahren. Das ultralange Sofa aus dem Damenzimmer könnte gleich vier Personen lässig aufnehmen. Der helle Bezugsstoff besticht durch handgewebte Textur. Neben dem Ebenholzstuhl im Arbeitszimmer stand ein einladend weicher Clubsessel, bezogen mit honigfarbenem Schweinsleder.

Abnutzungsspuren verraten, dass in diesen noblen Stücken wirklich gewohnt wurde. Ihre strenge Form ist keine Askese, sondern paart sich mit Lust an Komfort. Wie sich die Stücke in die karge Raumhülle des Hauses fügten, deuten Aufnahmen von Michael Wesely an. Er überblendet in ausgefuchsten Mehrfachbelichtungen historische und aktuelle Interieuransichten. Doch in der spröden musealen Präsentation des Kunstgewerbemuseums fehlt es den Mobilien an Wirkungsraum.

Hätte man das exquisite Ensemble nicht tatsächlich einmal komplett am Ursprungsort präsentieren können? Nach 1945 waren die Bestandteile des Gesamtkunstwerks Haus Lemke auseinandergerissen worden. Mehr als ein schmallippiger kuratorischer Brückenschlag zwischen Kulturforum und Obersee war diesmal offenbar nicht drin. Schade! Vielleicht bietet das große Bauhausjubiläum 2019 die Chance, dass die Möbel doch einmal auf Zeit an ihren angestammten Ort zurückkehren.

Doppelausstellung „Mies – Sitzen und Liegen“ und Thomas Ruff, „La Rêverie“, bis 24.6. im Mies-van-der-Rohe-Haus, Oberseestraße 60, Hohenschönhausen, Di- So 11-17 Uhr. Ausstellung „Von Haus zu Haus – Ludwig Mies van der Rohe im Kunstgewerbemuseum“, bis 30.11., Kulturforum, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr

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