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Kultur - 11.07.2019

Außen Regenbogen, innen Pink

Vagina-Monologe, Twerk-Wettbewerbe und Black Power: R’n’B-Star Janelle Monáe setzt in der Berliner Columbiahalle auf Selbstermächtigung.

Immer nach vorne schauen: Janelle Monaé bei ihrem Auftritt in Berlin.

Der Thron wird gleich zum dritten Lied auf die Bühne gerollt, ohne Kommentar. Eine Königin, und im Pop beanspruchen den Titel gerade so einige Künstlerinnen für sich (es kann anscheinend nur eine geben), muss sich nicht erklären. Der Titel „Django Jane“ ist Ansage genug. „Yeah, yeah this is my palace, champagne in my chalice/ I got it all covered like a wedding band/ Wonderland, so my alias is Alice/ We gonna start a motherfuckin’ pussy riot/ Or we gonna have to put ’em on a pussy diet.“ Janelle Monáe hat sich den Thron ohne prahlerischen Besitzanspruch verdient und ihren Titel am Dienstag mit einem begeisternden Konzert in der Columbiahalle verteidigt.

Solche Vagina-Monologe sind ganze neue Töne für Janelle Monáe, die sich zu Beginn ihrer Karriere noch hinter androgynen Kostümen und der Kunstfigur Cindi Mayweather, ihrem Androiden-Alter-Ego, versteckt hat. Weltall-Metaphern waren unter afroamerikanischen Künstlerinnen und Künstlern lange eine beliebte Strategie, um Andersartigkeit zu demonstrieren, aber auch eine halbwegs sichere Realitätsflucht vor dem Rassismus im Alltag. Auch für sie, erzählte Monáe kürzlich dem „Rolling Stone“, war die Maskerade in erster Linie ein Schutz.

Aber in den vergangenen Jahren hat sich in ihrem Leben einiges bewegt. Janelle Monáe ist als Schauspielerin inzwischen mindestens so bekannt wie als Popstar, sie hat sich geoutet und spricht heute aus der Position einer „queeren, afroamerikanischen Frau“, wie sie auch in Berlin betont. Außerdem kann sie verdammt gut rappen, was sie mit „Django Jane“ gleich mal beweist. Dafür muss sie nicht mal vom Thron herabsteigen. Ihre Tänzerinnen und Musikerinnen, denen Janelle Monáes modische Vorlieben (zackige Silhouetten, schnittige Uniformen, großflächige Muster, Nietenapplikationen) ebenfalls sehr gut stehen, sind erst mal für die Moves zuständig.

Die Show ist anfangs eine Spur zu routiniert

Janelle Monáe wagt sich nur zögerlich hervor. Ihr Auftritt wirkt anfangs noch distanziert. Das Programm, unterteilt in vier Akte (der zweite besteht aus Songs ihres Albums „The Electric Lady“), ist flott durchgetaktet, was der Dramaturgie zwar gut tut, aber auch eine Spur zu routiniert rüberkommt. Doch spätestens, als sie sich zur Prince-Hommage „Make Me Feel“ die Gitarre umschnallt, hat sich Janelle locker gemacht. Nur: Dass das einzig männliche Mitglied ihrer Band ausgerechnet der Gitarrist ist, wirkt wie ein Besetzungsfehler – erst recht, als er sich mit einem Prince-Gedenksolo breit aufbaut.

Die „Dirty Computer“-Tour zum gleichnamigen Album ist auch so etwas wie eine Bewährungsprobe für die neue, greifbarere Janelle Monáe, die sich nicht mehr hinter einstudierten Gesten verstecken muss. Viele Showelemente ihres knapp anderthalbstündigen Auftritts kennt man bereits aus den Videos, die stilbildenden „Vulva-Hosen“ natürlich, die in dem bliependen Ohrwurm „Pynk“ eine tragenden Rolle spielen. Mit dem Song hat Janelle auch eine Brücke zum feministischen Artpop von Grimes geschlagen. Ohne das konzeptuelle „ArchAndroid“-Korsett stehen ihr plötzlich musikalisch ganz neue Türen offen. Einerseits. Andererseits kann sie nach ihrem Outing auch die athletische Rap-Partynummer „Yoga“ – endlich? – als lesbischen Twerk-Wettbewerb abfeiern.

„Impeach Donald Trump!“ ruft sie ins Publikum

Irgendwann platzt dann auch in Berlin der Knoten. Aus „I Got The Juice“ wird im Anschluss an den entschlackten Funkrock von „Make Me Feel“ – mit zwei ihrer Musikerinnen im Bläsereinsatz – ein kleiner Jam, zu dem Janelle Monáe Fans auf die Bühne holt, um mal den Stand der „Säfte“ zu prüfen. Auch solche zweideutigen Anzüglichkeiten war man von der asexuellen Cindi Mayweather nicht gewohnt – aber wenn schon der Schweiß fließt, darf man auch andere Flüssigkeiten laufen lassen. Die Regenbogenkoalition auf der Bühne ist einfach hinreißend.

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Bei „So Afraid“ erinnern Videos an die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, Bilder aus einer hoffnungsvolleren Zeit: nicht ohne Nostalgie, aber auch besorgt, angesichts des orangen Teufels im Weißen Haus. „Impeach Donald Trump!“ ruft sie ins Publikum. Als weißer Amerikaner muss man sich für diesen Präsidenten schämen, als queere Afroamerikanerin aber kann man es wirklich mit der Angst zu tun kriegen. Zum Glück ist Janelle nicht allein. Zum großen Finale steigt sie hinab zu ihren Fans. Die 1,52 Meter kleine Sängerin taucht in der Masse ab, aber sie verschwindet nicht in ihr. Sie spendet Energie. Die neue Janelle Monáe bringt die Menge zum Pulsieren.

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